Gemeinsam gegen jede Form von Rassismus

Gemeinsam gegen jede Form von Rassismus

 

In Deutschland ist Rassismus leider nach wie vor eine Realität, die viele Menschen auf unterschiedliche Weise erleben. Anlässlich der Woche gegen Rassismus möchten wir die Stimmen unserer Kolleg*innen aus unserem Verein hervorheben, die bereit sind, ihre persönlichen Erfahrungen und Meinungen über Rassismus in Deutschland zu teilen. Ihre Geschichten und Perspektiven bieten einen Einblick in die vielschichtige Natur des Rassismus und zeigen auf, wie wichtig es ist, gegen Vorurteile und Diskriminierung einzutreten.

Günay Darici, Geschäftsführerin von Yekmal e.V.: “Als kurdische Institutionen und Einzelpersonen empfinden wir es als unangenehm, ständig unter dem Deckmantel anderer Kulturen und Identitäten dargestellt zu werden. Vor zwei Jahren, während der Veranstaltungen zum 60. Jahrestag der Einwanderung aus der Türkei, wurde kein Wort über die Kurd*innen verloren, obwohl diese bereits seit Jahren in dieser Gesellschaft leben. Kurd*innen haben auf sozialer, kultureller und finanzieller Ebene erheblich zum Fortschritt dieser Gesellschaft beigetragen. Die eigene Identität und Sprache der Kurd*innen zugunsten bestimmter politischer Interessen aufzugeben, steht im Widerspruch zu einer Gesellschaft, die vorgibt, die Menschenrechte zu achten und Unterschiede als Bereicherung anzuerkennen. Diskriminierung, Ausgrenzung und Nichtbeachtung führen zu nicht zu einem harmonischen Zusammenleben, sondern zu Trennung und Konflikten.”

Cornelia Rasulis, Leiterin der Yekmal Beratungsstelle in Berlin: “Das gesellschaftliche Klima in “Deutschland ist in den letzten Jahren radikaler und zunehmend rassistisch geworden. Gerade geflüchtete Menschen werden zumeist nicht mehr als Individuen betrachtet, als Frauen, Männer, Eltern, Kinder, ganz normale Menschen eben, sondern als Gruppe mit einer negativen Bedeutung konstruiert. Ihre Ressourcen werden nicht gesehen, sondern sie werden ausschließlich als Problem beschrieben. Wir haben uns daran gewöhnt, jeden Tag erneut zu hören und zu lesen, Geflüchtete seien an der Überschuldung der Kommunen schuld, an der Wohnungsnot oder fehlenden Kitaplätzen. Kaum eine demokratische Partei traut sich noch, für Geflüchtete und die Rechte von Geflüchteten einzustehen. Neu ist auch die direkte Umsetzung der alltäglichen Hetze in die reale Politik von Abschreckung und Abschiebung, die gerade in riesengroßen Schritten vorangetrieben wird. Gerade kurdische Menschen sind in besonderer Weise hiervon betroffen, denn sie flüchten vor Rassismus und politischer Verfolgung, vor Krieg und Vertreibung, vielfach aus ihren Herkunftsländern, ein Volk, welches sich seit Generationen ständig auf der Flucht befindet.”

Merih Ergün, Leiter das Centrum für intersektionale Diversität (CiD) von Yekmal: “Die Bekämpfung gegen Rassismus ist komplex und benötigt unterschiedliche Strategien auf verschiedenen Ebenen. Das Centrum für intersektionale Diversität (CiD) möchte von einer Praxis aus Kamerun im Umgang mit Vielfalt hinweisen. In Kamerun werden um die 160 Sprachen plus 30 Dialekte gesprochen. Viele Menschen wachsen selbstverständlich mehrsprachig auf. Während in den Schulen die Kolonialsprachen Englisch und Französisch gelehrt werden, lernen die Menschen weitere Sprachen durch ihre Familien, Freundschaften und andere Beziehung. Vielfach gibt es eine große Offenheit und Lernbereitschaft die Sprachen von Freund*innen zu lernen oder durch Heiratsbeziehungen, die von der/die Partner*innen. Dies führt zum einen dazu, dass Sprachen auch über informelle Kanäle vermittelt werden und zum anderen zeigt es, wie wichtig Sprachen sind, um unsere zwischenmenschlichen Beziehungen zu gestalten, gegenseitige Vorurteile abzubauen und demokratische Werte wie einen respektvollen Umgang mit Vielfalt zu erlernen und zu kultivieren.”

Philipp Bieseke, Maryna Markova und Fatma Sayan Team des Projekts “StaP vorwärts – Strategien schaffen.Talente nutzen. Präsent werden.” Von Yekmal Berlin: “Migrantische Eltern stehen häufig vor der Herausforderung, im Alltag mit Rassismus umzugehen, und begegnen strukturellen Hürden in Bildungseinrichtungen. Oft sind sie in schulischen Entscheidungsgremien nicht ausreichend vertreten. Statt ihre Potenziale zu nutzen, erleben sie Ausgrenzung. Daher halten wir es für essenziell, Eltern mit Migrationserfahrung zu stärken und ihnen Wege aufzuzeigen, wie sie effektiver mit Bildungsinstitutionen interagieren können. Unser Projekt ´StaP vorwärts´ zielt darauf ab, migrantische Eltern zu ermächtigen, indem wir Raum für Vernetzung und gegenseitige Unterstützung schaffen und durch Workshops Wissen und Erfahrungsaustausch fördern.”

Şerîf Derince, Leiter Yekmal Akademie gGmbH: “Schulen und Klassen sind Mikro-Orte, in denen sich größere gesellschaftliche Zusammenhänge widerspiegeln. Genauso wie viele kurdische Menschen im öffentlichen Raum in Deutschland unsichtbar gemacht und diskriminiert werden, erfahren kurdische Schüler*innen auch in ihren Schulen eine systematische und strukturelle Diskriminierung. Ihnen wird nicht nur das Recht vorenthalten, ihre Muttersprache in der Schule sinnvoll und effektiv zu erlernen – mit Ausnahme des Kurdischunterrichts in Form von Herkunftssprachunterricht in wenigen Fällen – sie werden auch gezwungen, ihre Identität zu verbergen oder eine andere Identität anzunehmen, wie Türkisch oder Arabisch, abhängig von den Herkunftsländern ihrer Familien. Auch Eltern werden in der Regel diskriminiert oder fühlen sich diskriminiert, wenn sie ihre kurdische Identität in der Schule ihrer Kinder offen zeigen. Dies führt zu einer fragilen Situation und einer schwierigen Beziehungskonstellation, die sich negativ auf die akademische, psychologische, kulturelle und sprachliche Entwicklung der Schüler auswirkt.”

Shaswar Mame, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit und Medien von Yekmal: “Es genügt bereits das Wort “Kurdistan” als Antwort auf die immer wieder gestellte Frage “Woher kommst du?”, um antikurdischen Rassismus in Deutschland zu erleben und verletzt sowie diskriminiert zu werden. Zum Beispiel hatte vor einiger Zeit eine Person in unserem Büro angerufen, die sich nach dem Begriff “Kurdistan” in unserem Vereinsnamen erkundigen wollte. Auf meine Antwort, dass wir aus Kurdistan stammen, reagierte die Anruferin mit Gelächter, gefolgt von der Aussage, dass es kein Land namens “Kurdistan” gebe. Daraufhin legte sie einfach auf. Diese Erfahrung ist ein weiteres Beispiel für die rassistischen und diskriminierenden Situationen, die wir als Kurd*innen in Deutschland leider oft erleben. Die deutsche Bundesregierung scheint diese Art von Diskriminierung und Rassismus gegenüber unserer Identität nicht ausreichend anzuerkennen. Es ist enttäuschend, dass solche Vorfälle immer wieder vorkommen.”

Alwan Swesh, Mitarbeiter der Registerstelle Neukölln: “Wenn wir in einer solidarischen Gesellschaft leben wollen, davon träumen, aber nichts dafür tun, bleibt es nur ein Traum. Wenn wir Rassismus wahrnehmen, sehen und es sogar erleben, aber nichts gegen Rassismus tun und es nicht melden, bleibt dieser Traum von einer solidarischen Welt, nur ein Traum.”
Sonja Galler, Leiterin Yekmal Essen: „Antirassismus sehe ich als die wichtigste Grundlage unserer Arbeit. Zu unseren zentralen Aufgaben gehört es, auch wenig beachtete Diskriminierungserfahrungen, wie etwa den antikurdischen Rassismus, aus der Grauzone der Wahrnehmung zu holen und – noch wichtiger, betroffene Kinder wie Erwachsene mit empowernden Angeboten zu stärken: Sei es durch Familien-Workshops, Begleitung zur schwierigen Gesprächen, künstlerische Verarbeitung oder manchmal auch einfach nur durch Zuhören, Ernstnehmen.“

Mesud Aqil Co-leiter Yekmal Bremen: „Kinder von migrantischen Familien sehen sich oft mit Vorurteilen konfrontiert, die auf dem Beruf ihrer Eltern basieren und ihre Bildungschancen beeinträchtigen können. Diese Vorurteile können zu einer Entfaltung ihres Potenzials behindern. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass wir als Verein daran arbeiten, diese Vorurteile zu überwinden und den Eltern dabei helfen, ihre kulturelle Identität positiv einzubringen. Durch gezielte bilinguale Unterstützungsprogramme, die Vielfalt und Inklusion fördern, können wir sicherstellen, dass alle Kinder gleiche Bildungschancen erhalten und ihre Talente entfalten können, unabhängig vom Bildungs- oder ethnischen Hintergrund der Familie.”

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