06 Dezember 2023 | Berlin | Stellungnahme

Sexistische und rassistische Gewaltvorfälle im Ankunftszentrum Tegel: Angriff auf kurdische Geflüchtete

Ein Teil der neu angekommenen Geflüchteten in Tegel sind Kurd*innen, die aus verschiedenen Teilen Kurdistans stammen. Sie wurden im Ankunftszentrum in Tegel untergebracht. Die Gesamtanzahl beläuft sich auf etwa 320 Personen, bestehend aus Frauen, Männern und Kindern.

Im Ankunftszentrum Tegel, ursprünglich für Geflüchtete aus der Ukraine installiert, die mit ca. 3.000 Menschen auch die Mehrheit der ungefähr 5.000 Bewohner*innen stellen, befinden sich auch ca. 2.000 Geflüchtete aus Drittstaaten. Davon stellen die geflüchteten Araber*innen mit über 1.000 Personen die größte Gruppe dar.

In den frühen Morgenstunden des 26.11.2023 begann eine Gruppe arabischer Menschen, größtenteils männliche Bewohner, die schlafenden kurdischen Geflüchteten zu stören. Die kurdischen Menschen, darunter viele Familien, baten um Ruhe, doch anstatt dem nachzugeben, versammelte sich eine große Gruppe Araber und griff die kurdischen Geflüchteten an, indem sie wiederholt “ungläubige Kurden” riefen. Die Anzahl der Angreifer nahm zu und fünf kurdische Geflüchtete wurden verletzt. Unglücklicherweise griffen zudem auch die Sicherheitskräfte vor Ort in die Eskalation ein, indem sie die Kurden ebenfalls angriffen.

Am nächsten Tag, am 27.11.2023 erreichte uns die Bitte um Hilfe der kurdischsprachigen Geflüchteten. Mit Unterstützung des Büros der Beauftragten für Integration und Migration nahmen wir Kontakt mit dem zuständigen Pressersprecher beim LAF, Herrn Langenbach, auf und vereinbarten einen Termin zum 04.12.2023.

Eine Delegation von Yekmal e.V., bestehend aus Günay Darici (Geschäftsführerin), Cornelia Rasulis (stellvertretende Geschäftsführerin), Merih Ergün (Leiter des Antidiskriminierungsbereiches) und Frau Kortas von IntMIG (zuständig für Flucht), besuchte das Ankunftszentrum in Tegel.

Nach einer kurzen Einweisung zeigten uns Herr Langenbach und Frau Tümmler, die Leiterin vonseiten des DKR, die Orte und Bereiche, in denen die Menschen betreut und untergebracht werden.

Während unserer Gespräche mit den geflüchteten Personen kurdischer Herkunft wurde uns mitgeteilt, dass sich viele Menschen schon seit vier Monaten in der Unterkunft befänden. Da sie noch nicht registriert seien, hätten sie keine Bargeldleistungen für den persönlichen Bedarf erhalten. Gerade für Familien mit Kindern ist diese Situation sehr schwierig.

Außerdem wurde von folgenden Problemen und Schwierigkeiten berichtet:

  • Kein Schutz von Frauen – alleinerziehenden Müttern, jungen (ledigen) Frauen sowie minderjährigen Kindern – vor sexualisierter Gewalt und Übergriffen durch Sicherheitspersonal und anderen männlichen, jungen Bewohnern.
  • Wenig Sicherheit vor rassistischer Gewalt, Diskriminierung und Benachteiligung zu Dienstleistungen durch Sicherheitskräfte und Bewohner.
  • Ein nicht-funktionierendes Beschwerdeverfahren bzw. Beschwerdemanagement
  • Unzulängliche medizinische Versorgung der Anwohner*innen, insbesondere von schwangeren Frauen und Kindern, sowie psychisch kranken Menschen, die Medikamente benötigen
  • Verhinderung von Krankenhausbehandlung bei akuten Notfällen bzw. fehlende Verfahren zum Anfordern von Kranken- und Rettungswagen.
  • Eine mangelhafte Verpflegung und Essen, insbesondere von Kindern.
  • Fehlende und unzureichende Kleidung im Winter, auch bei Kindern.
  • Wenig Bewegungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten für Kinder zur Förderung der kindlichen Gesundheit.

Es ist untragbar, dass Menschen in einer Umgebung ohne Privatsphäre, Sicherheit und Schutz leben müssen. Der deutsche Staat und der Berliner Senat haben die Pflicht und Verantwortung, umgehend eine Lösung zu finden. Was wir fordern, ist eine Politik für die Menschen und nicht gegen sie.

Da kurdische Geflüchtete sowohl Türkisch als auch Arabisch sprechen, sollte ihr spezieller Status berücksichtigt werden. Die Probleme der Kurd*innen aus verschiedenen Herkunftsstaaten und der allzu häufige Antikurdische Rassismus der Bevölkerung ihrer Herkunftsländer sind für kurdische Menschen immer präsent. Hier wird dieser Aspekt aber nicht wahrgenommen und diese wichtigen Zusammenhänge werden missachtet. Eine Nichtberücksichtigung der kurdischen Identität im Namen der Neutralität hat in diesem Fall den Effekt, dass Menschen aufgrund ihrer kurdischen Identität auch in Deutschland Gewalt erfahren, diskriminiert werden und nicht ausreichend geschützt werden können.

Verein der Eltern aus Kurdistan in Deutschland – Yekmal e.V.
06.12.2023

Teile diesen Beitrag

Unseren Newsletter abonnieren



Deine Vorteile
Nichts verpassen
Jederzeit abmelden
Deine Daten sind sicher


Folge uns auf

WEITERE ARTIKEL