Erste Ergebnisse unserer Elternumfrage über Mehrsprachigkeit in Familie, Kita und Schule

Mehrsprachigkeit ist ein unschätzbares Gut in unserer vielfältigen Stadt und ein Potenzial, das es zu fördern gilt. Doch nicht alle mehrsprachigen Familien können dieses Potenzial voll ausschöpfen. Um die Bedürfnisse und Herausforderungen mehrsprachiger Eltern besser zu verstehen, haben die Yekmal Akademie und das BEFAN-Netzwerk eine groß angelegte Elternbefragung durchgeführt. Ziel war es, ein genaueres Bild von der mehrsprachigen Situation in Berliner Familien, Kitas und Schulen zu erhalten. Dabei lag der Fokus auf Eltern mit Migrationshintergrund. Die Ergebnisse sollen dazu beitragen, die Förderung von Mehrsprachigkeit in Berlin zu verbessern.

Unter Leitung von Şerif Derince (Yekmal Akademie) und Dr. Mine Derince (Humboldt-Universität) sowie der Koordination von Remziye Uykun (BEFAN-Netzwerk) wurde eine umfassende Online-Umfrage in 15 Sprachen durchgeführt. Über 1.295 Eltern beteiligten sich und gaben Auskunft über ihre Sprachkenntnisse, ihre Einstellung zur Mehrsprachigkeit und die Unterstützung, die sie in Bildungseinrichtungen erfahren.

Die Eltern wurden mittels eines strukturierten Fragebogens zu ihren Sprachkenntnissen, ihrer Ein-stellung zur Mehrsprachigkeit in der Familie und ihren Erfahrungen mit der Sprachförderung in Ber-liner Bildungseinrichtungen befragt

Durch die Einbindung von Expert*innen für mehrsprachige Erziehung sowie von Vertretern kommunaler Organisationen konnte eine hohe inhaltliche Qualität der Umfrage gewährleistet werden. Die Ergebnisse liefern einen detaillierten Einblick in die mehrsprachige Landschaft Berlins.

» Wichtigste Ergebnisse

1. Mehrsprachigkeit als Norm: In den befragten Familien mit Migrationshintergrund ist Mehrsprachigkeit die Regel eher als die Ausnahme. Über 75% der Haushalte geben an, mehr als zwei Sprachen zu sprechen. Die Eltern schätzen die Mehrsprachigkeit als wichtigen Faktor für die kognitive Entwicklung, die interkulturelle Kompetenz und das Selbstbewusstsein ihrer Kinder.

2. Herausforderungen bei der Sprachpflege: Trotz des hohen Stellenwerts, den Eltern der Mehrsprachigkeit beimessen, sehen sie sich mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Insbesondere der begrenzte Gebrauch der Erstsprache außerhalb des familiären Umfelds und der gesellschaftliche Druck, Deutsch zu sprechen, erschweren die Sprachpflege.

3. Ungleichheiten im Bildungssystem: Die Bildungslandschaft in Berlin bietet zwar vielfältige Sprachlernangebote, jedoch sind diese oft ungleich verteilt und konzentrieren sich überwie-gend auf den Erwerb von Fremdsprachen. Die Nachfrage nach zweisprachiger Bildung ist groß, wird jedoch nicht flächendeckend befriedigt. Die Nachfrage nach zweisprachiger Bildung, insbesondere an den Staatlichen Europäischen Schulen Berlins (SESB), ist hoch. Jedoch schränken begrenzte Plätze und ein kompetitives Aufnahmeverfahren den Zugang für viele Familien ein.

4. Die wichtige Rolle von Community-Organisationen: Community-Organisationen leisten einen wertvollen Beitrag zur Sprachförderung, indem sie ergänzende Angebote zur Verfügung stellen. Allerdings erreichen diese Angebote nicht alle Familien.

» Empfehlungen

  1. Ausbau zweisprachiger Bildungsangebote: Der Berliner Senat sollte den Anteil zweisprachiger Kindergärten und Schulen deutlich erhöhen, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden.
  2. Qualifizierung von Lehrkräften: Universitäten und Bildungsbehörden müssen die Lehrkräfteausbildung an die Anforderungen der mehrsprachigen Bildung anpassen. Dazu gehören unter anderem verpflichtende Module zur Sprachförderung, interkulturellen Kompetenz und didaktischen Methoden für den mehrsprachigen Unterricht.
  3. Stärkung der Zusammenarbeit mit Community-Organisationen: Die Zusammenarbeit zwischen Schulen, politischen Entscheidungsträgern und Community-Organisationen sollte systematisch gefördert werden. So können Patenschaften enstehen, lokale Sprachprogramme passgenau auf die Bedürfnisse der Familien zugeschnitten und die Wirksamkeit der Sprachförderung erhöht werden.
  4. Mehr finanzielle Mittel für die Sprachförderung: Um die genannten Ziele zu erreichen, ist eine deutliche Aufstockung der finanziellen Mittel für die Sprachförderung erforderlich. Diese Mittel sollten in den Ausbau von Sprachprogrammen, die Entwicklung hochwertiger zweisprachiger Materialien und die Bereitstellung von zusätzlichen Personalressourcen fließen.
  5. Positive Öffentlichkeitsarbeit: Der Berliner Senat sollte eine groß angelegte Sensibilisierungskampagne starten, um die Vorteile der Mehrsprachigkeit für Kinder, Familien und die gesamte Gesellschaft hervorzuheben. Ziel ist es, eine positive Einstellung zur Mehrsprachigkeit in der gesamten Bevölkerung zu verankern.

Unsere Studie unterstreicht die enorme Bedeutung der Mehrsprachigkeit für die individuelle Entwicklung von Kindern und für unsere vielfältige Gesellschaft. Die sprachlichen Fähigkeiten von Kindern mit Migrationshintergrund stellen eine wertvolle Ressource dar. Dennoch zeigen unsere Ergebnisse, dass es in Berliner Bildungseinrichtungen noch erhebliche Defizite bei der Förderung dieser Fähigkeiten gibt.

Um diese Lücken zu schließen und die Potenziale der Mehrsprachigkeit voll auszuschöpfen, müssen wir gemeinsam handeln. Politik, Bildungseinrichtungen und Community-Organisationen sind gefordert, gezielte Maßnahmen zu ergreifen. Dazu gehören:

  • Ausbau von Sprachförderprogrammen: Wir brauchen mehr zweisprachige Angebote in Kitas und Schulen sowie eine bessere Unterstützung der Familiensprachen.
  • Qualifizierung von Lehrkräften: Pädagog*innen benötigen eine umfassende Fortbildung, um die sprachliche Vielfalt ihrer Schüler*innen optimal fördern zu können.
  • Stärkung der Zusammenarbeit: Eine enge Zusammenarbeit zwischen Schulen, Eltern, Community-Organisationen und politischen Entscheidungsträger*innen ist unerlässlich, um bedarfsgerechte Sprachprogramme zu entwickeln und umzusetzen.
  • Positive Rahmenbedingungen schaffen: Wir müssen ein gesellschaftliches Umfeld schaffen, in dem Mehrsprachigkeit als Bereicherung anerkannt und gefördert wird.

Die Ergebnisse unserer Studie bieten eine solide Grundlage für die Entwicklung einer inklusiven Bildungslandschaft, in der alle Kinder ihre sprachlichen Fähigkeiten entfalten können. Indem wir die Mehrsprachigkeit als Stärke anerkennen und fördern, investieren wir in die Zukunft unserer Stadt.

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