Anlässlich des Internationalen Tags der Muttersprache am 21. Februar fordern die GEW BERLIN, der Türkische Bund in Berlin-Brandenburg und der Verein der Eltern aus Kurdistan in Deutschland – Yekmal e.V. einen deutlichen Ausbau von Unterrichtsangeboten in den von den Schüler*innen gesprochenen Erst- bzw. Familiensprachen. „Wir brauchen eine verlässliche Erfassung sowie ein klar geregeltes Verfahren zur Beantragung und Umsetzung von erstsprachlichem Unterricht“, forderte Gökhan Akgün, Vorsitzender der GEW BERLIN. Akgün konstatierte: „Obwohl es einen schulgesetzlichen Anspruch gibt, hakt es bei der Umsetzung. Andere Bundesländer bekommen das deutlich besser hin. In NRW wird Unterricht in 30 Sprachen angeboten, in Berlin sind es etwa 10. So kann es nicht bleiben.“
Auch Ayşe Demir vom Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg sprach sich für einen deutlichen Aufwuchs der Angebote aus: „Der Bedarf an erstsprachlichem Unterricht ist enorm. Mehrsprachigkeit gehört zu Berlin. Etwa die Hälfte der Berliner Bevölkerung hat einen transnationalen Bezug. Für Kinder und Jugendliche mit unterschiedlichen Vorkenntnissen in ihren Erstsprachen braucht es ein flexibles Angebot an Erstsprachen- und bilingualem Unterricht. Die Förderung von Familiensprachen in allen Bildungsbereichen hat nachweislich positive Effekte. Die Sprachentwicklung wird verbessert. Die Kinder und ihre Familien fühlen sich wertgeschätzt. Hier wird viel Potenzial liegengelassen.“
„Neben dem erstsprachlichen Unterricht sollten auch die bilingualen Europaschulen ausgebaut werden“, forderte Günay Darici von Yekmal e.V. „Bei den Familien besteht ein großes Interesse für ein solches Angebot in weit mehr Sprachen wie zum Beispiel Arabisch, Kurdisch und Rumänisch.“ Bislang gibt es die bilingualen Europaschulen nur für 9 Sprachen. „Auch für neu zugewanderte Kinder und Jugendliche sollte eine gezielte Förderung der Erstsprachen regulär erfolgen“, so Darici.
Der GEW-Landesvorsitzende Akgün forderte zudem deutlich bessere Arbeitsbedingungen für Lehrkräfte, die den Erstsprachenunterricht (ESU) erteilen: „Viele ESU-Lehrkräfte haben befristete Verträge, sind in Teilzeit beschäftigt und müssen an mehreren Schulen arbeiten. Für den weiteren Ausbau des Erstsprachenunterrichts sind gute Arbeitsbedingungen und ein deutlich besseres Gehalt essenziell.“ Ein weiteres Problem ist, dass der Erstsprachenunterricht nicht in den Stundenplan der Schüler*innen integriert wird. „Wenn sich die Kinder zwischen Spielen, Freizeit und Erstsprachenunterricht entscheiden müssen, hat der Erstsprachenunterricht einen schweren Stand“, so Akgün weiter.
„Leider gibt es nach wie vor eine unterschiedliche Bewertung in Bezug auf Sprachen. Während Englisch und Französisch sehr anerkannt sind, erleben Menschen, die Kurdisch, Türkisch, Arabisch, Romanes oder Wolof sprechen, nicht immer eine Wertschätzung ihrer Mehrsprachigkeit“, kritisierte Demir vom Türkischen Bund in Berlin-Brandenburg. „Eine Diskriminierung und Ungleichbehandlung ist nicht hinnehmbar. Alle Kinder und Familien sollten mit ihren Ressourcen gesehen werden und eine Unterstützung in der Förderung ihrer Sprachen erhalten. Die sprachliche Vielfalt gilt es in allen Bildungsbereichen anzuerkennen und zu fördern!“
„Neben den schulischen Angeboten braucht es eine durchgängige Förderung der Mehrsprachigkeit von Anfang an. Die frühen Jahre sind prägend für die sprachliche Entwicklung“, ergänzte Darici von Yekmal e.V. „Deshalb braucht es schon im Kita-Bereich eine systematische Förderung der Mehrsprachigkeit, klare Konzepte und dafür ausgebildetes Personal. Nur wenn Kinder von Anfang an die Möglichkeit haben, ihre Erstsprachen bewusst weiterzuentwickeln, können sie auch im späteren schulischen Kontext davon profitieren.“