Am 10. Oktober 2025 feierte die Yekmal Akademie für Sprache, Bildung und Forschung gGmbH ihre Auftaktveranstaltung im Einsteinsaal der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW).
Die Veranstaltung wurde von Remziye Uykun (Befan, Yekmal e.V.) rahmenmoderiert. Eröffnetet wurde die Veranstaltung mit den Reden von Günay Darici, Geschäftsführerin von Yekmal e.V. und Yekmal Akademie gGmbH, und Dr. Mandana Seyfeddinipur, Leiterin des Endangered Languages Documentation Programme (ELDP) und das Endangered Languages Archive (ELAR) an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Beide Sprecher*innen betonten die gesellschaftliche Relevanz von Mehrsprachigkeit, marginalisiertes Wissen migrantischer Communities und demokratischer Teilhabe, und die wichtige Arbeit, die von Organisationen wie Yekmal in dieser Hinsicht geleistet wird.
Nach den Eröffnungsreden präsentierten Serif Derince, ehemaliger Leiter der Yekmal Akademie, und Bahar Fırat, Leiterin der Akademie und Koordinatorin des Bildungsbereichs, die Entstehung, Struktur und Zukunftsvision der Akademie. Serif Derince gab einen Überblick über die bisherige Arbeit, die 2020 innerhalb von Yekmal e.V. begann. Die Akademie konzentrierte sich zunächst auf Forschung zu kurdischer Sprache, Gesellschaft und Mehrsprachigkeit. Es wurden Kurdischkurse zur Sprachförderung entwickelt, die Sprachprüfung TESTKURD C1 – ein europaweit anerkanntes Zertifikat für Kurdischkenntnisse – angeboten, Fortbildungen und Seminare für pädagogische Fachkräfte organisiert, zweisprachige Materialien für die bilinguale Kita Pîya erstellt und zahlreiche Fachgespräche und Tagungen zu Mehrsprachigkeit durchgeführt.
Bahar Fırat ging näher auf das Bildungsverständnis der Yekmal Akademie - als Raum für kritische Mehrsprachigkeit, soziale Gerechtigkeit und partizipative Wissensproduktion- ein und stellte die geplanten Fort- und Weiterbildungsprogramme vor. Als nun anerkannte Einrichtung der Erwachsenenbildung setzt sich die Akademie zum Ziel, kritische, solidarische und mehrsprachige Bildung zu fördern. Im Einklang mit diesem Verständnis und Ziel wird die Yekmal Akademie im Jahr 2026 schrittweise folgende Bildungsprogramme umsetzen:
• Kritische Sozial- und Pädagogische Arbeit
• Kurdisches Leben – Soziale und pädagogische Arbeit mit und für kurdische Gemeinschaften
• Kurdische Sprache, Literatur & Kunst
• Zertifikatsprogramm für Kurdischlehrkräfte
Mit diesen Programmen setzt die Akademie Bildung nicht nur als Wissensvermittlung, sondern auch als Förderung von Empowerment, Solidarität und gesellschaftlicher Transformation in den Fokus.
Als nächstes diskutierten im wissenschaftlichen Dialog Dr. Mandana Seyfeddinipur (BBAW, ELDP & ELAR), Prof. Dr. Katharina Brizić (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Soziolinguistik und Mehrsprachigkeit) und Prof. Dr. Cinur Ghaderi (Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe, Forschung zu Migration, Gender und Intersektionalität) über Fragen der Gegenhegemonialität von Wissen, der Rolle von Mehrsprachigkeit als Ressource und der Bedeutung sozial gerechter Bildungspraxis. Für diese Diskussion wurden gezielt Wissenschaftler*innen eingeladen, deren Forschung aus sozialwissenschaftlicher, politikwissenschaftlicher und sprachwissenschaftlicher Perspektive besonders relevant für die Yekmal Akademie ist. Ihre Arbeiten liefern wertvolle Impulse für das Bildungsverständnis und dienen zugleich als Inspiration für die künftige Arbeit der Akademie.
Moderiert wurde die Runde von Matthias Hofmann (Yekmal e.V.), der seine Fragen auf zentrale Themen konzentrierte: den Abbau epistemischer Ungleichheiten, die Rolle von Archivierung und Institutionalisierung für marginalisierte Sprachen als lebendige Wissenssysteme, die Überwindung politischer, gesellschaftlicher und ideologischer Hürden für eine inklusive Mehrsprachigkeitspolitik, sowie die Bedeutung der Auseinandersetzung mit anti-kurdischem Rassismus und die Rolle sozialer und psychosozialer Arbeit bei der Sichtbarmachung von Diskriminierung und der Förderung von Empowermentprozessen.
In der letzten Runde der Auftaktveranstaltung wurden inspirierende Bildungsinitiativen vorgestellt. Zuerst gewährte Jarl Schultz, Leiter der Deutsch-Skandinavischen Gemeinschaftsschule in Berlin, Einblicke in die mehrsprachige und kulturübergreifende Arbeit seiner Schule, wo ein konsequent mehrsprachiges Bildungskonzept verfolgt wird, in dem Dänisch, Norwegisch, Schwedisch und Deutsch als Unterrichts- und Alltagssprachen gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Schultz betonte, dass Sprache immer auch Emotion, Identität und Gemeinschaft bedeutet. In der Verknüpfung von Sprachen, Festen und sozialem Lernen entsteht ein inklusiver Raum, der sowohl kulturelle Vielfalt als auch demokratische Verantwortung fördert.
Dr. Julia Strutz, Mitbegründerin der Off-University, präsentierte ein Modell solidarischer, transnationaler Bildungsarbeit. Seit 2017 organisiert Off-University Online-Seminare von und für gefährdete oder politisch verfolgte Wissenschaftler*innen aus 16 Ländern. Ziel ist Bildung ohne institutionelle, politische oder geografische Barrieren, mit alternativen digitalen, grenzüberschreitenden Räumen für Lehre, Forschung und Publikation. Das Anliegen: marginalisierte Stimmen hörbar zu machen, Wissen dekolonial zu denken und Bildung als Instrument gesellschaftlicher Transformation zu begreifen.
Die Runde der guten Praxisbeispiele endete mit der Präsentation von Dawid Yesilmen zur Antidiskriminierungsberatung in Kurmancî und Soranî, die gemeinsam mit dem ADNB (Antidiskriminierungsnetzwerk Berlin) entwickelt wurde. Es handelt sich um das erste zivilgesellschaftliche Projekt dieser Art in Deutschland, das explizit anti-kurdischen Rassismus adressiert – ein bislang weitgehend unsichtbares, aber tief verankertes gesellschaftliches Problem. Das Projekt leistet Pionierarbeit: Es übersetzt rechtliche, psychologische und politische Begriffe in kurdische Sprachen und macht Antidiskriminierungswissen erstmals sprachlich zugänglich. So zeigt das Projekt, wie Sprachgerechtigkeit und gesellschaftliche Teilhabe untrennbar verbunden sind.
Nach den Vorträgen, die theoretische und praktische Impulse für die Arbeit der Akademie lieferten, klang der Abend mit einem musikalisch begleiteten Empfang aus. Bei Essen, Musik und anregenden Gesprächen tauschten sich die Gäste über gemeinsame Projekte, zukünftige Kooperationen und politische Bildungsperspektiven aus.
Wir danken allen, die diesen Tag mit uns gefeiert haben, und freuen uns auf die zukünftige Zusammenarbeit.